Beatmet leben in Zeiten von COVID-19

07.05.2020Allgemein, COVID-19

Ein Interview mit der Leiterin des Kinderhauses AtemReich Felicitas Hanne

Das Kinderhaus AtemReich ist seit seiner Gründung 2006 ein Zuhause für 18 schwer kranke Kinder, die beatmet werden müssen und eine interdisziplinäre Intensivbetreuung benötigen. Hier werden sie an 365 Tagen im Jahr nicht nur medizinisch versorgt, sondern auch individuell gefördert.

Seit Anfang des Jahres stellt das Sars-CoV-2 Virus (Coronavirus) das Kinderhaus auf eine harte Probe. Die Situation für Kinder wie für Pflegende hat sich dramatisch verändert. Denn für Menschen, die bereits an einer schweren Atemwegserkrankung leiden, ist das Virus besonders gefährlich. Sollten sie sich damit infizieren und an COVID-19 erkranken, kann das drastische Folgen bis hin zum Tod haben.

Felicitas Hanne, die Leiterin des Kinderhauses AtemReich spricht im ResMed Healthcare Interview über die Bedrohung durch das Virus, die Maßnahmen dagegen und die allgegenwärtigen Sorgen von Eltern, Kindern und Betreuern.

Felicitas Hanne, Leiterin des Kinderhauses AtemReich mit Bianca

ResMed: Frau Hanne, was genau bedeutet die aktuelle Situation in der wir uns durch COVID-19 befinden für das Kinderhaus AtemReich?

Felicitas Hanne: Für uns bedeutet die aktuelle Situation vor allem eine riesige Herausforderung und unglaublich viel Veränderung. Die Kinder, die bei uns leben, gehören aufgrund ihrer schweren Atemwegserkrankungen zu einer der Hochrisikogruppen von COVID-19. Daher ist für uns die oberste Priorität, das Virus von ihnen fernzuhalten, um eine Ansteckung zu vermeiden. Um das zu bewerkstelligen, mussten wir viele Dinge anpassen, neue Regeln aufstellen und Sicherheitsmaßnahmen verschärfen.

Wie sieht die Umsetzung dieser Sicherheitsmaßnahmen konkret aus?

Eine der ersten Konsequenzen war es, den Kontakt der Kinder mit unseren Mitarbeitern so gering wie möglich zu halten, um gegenseitige Ansteckung zu vermeiden. Dafür arbeiten wir in (sehr anstrengenden) 12-Stunden-Schichten, wobei ein Mitarbeiter ein Kind von früh bis spät betreut, statt sich wie vorher mit einem Kollegen abzuwechseln. Dabei ist Schutzkleidung inklusive Mundschutz natürlich Pflicht. Die generelle Desinfektion ist in den Fokus gerückt und wir testen unsere Mitarbeiter regelmäßig auf Fieber und andere Krankheitssymptome.

Das grundsätzliche Betretungsverbot, das bei uns vor Ort für Außenstehende herrscht, wurde verschärft und es wurden neue Regelungen für die Familien der Kinder eingeführt: Besuche dürfen maximal eine Stunde dauern, Schutzkleidung und Tests sind Voraussetzungen für das Betreten des jeweiligen Zimmers. Die drei Gruppen, in die unsere 18 Kinder aufgeteilt sind, wurden räumlich getrennt.
Das heißt gemeinsame Aktivitäten wie zusammen Abend zu essen oder einen Spaziergang zu machen sind leider nicht möglich.

Was sehen Sie aktuell als größte Herausforderung?

Die größte Herausforderung für uns ist es, das Virus von den AtemReich-Kindern fernzuhalten. Dazu ist neben den Maßnahmen, die ich schon genannt habe, auch die Materialversorgung besonders wichtig. Aktuell gibt es häufig Medikamentenengpässe, Masken und Schutzkleidung werden knapp und so brauchen sich auch Vorräte schnell auf. Dann ist Kreativität angesagt, wie z.B. Regenponchos zu Schutzkleidung umzufunktionieren. All das gilt es zu meistern, sodass die Kinder möglichst wenig von der allgegenwärtigen Gefährdungslage mitbekommen.

Wie gehen Sie mit dieser Gefährdungslage um?

Etwas, das unsere Mitarbeiter freiwillig für die Sicherheit der Kinder tun, ist die soziale Distanz, die bis zur Selbstquarantäne reicht. Um sie zu schützen, halten unsere Mitarbeiter ihren Kontaktkreis so gering wie möglich und senken damit das Risiko, sich mit dem für die Kinder so gefährlichen Virus zu infizieren. Dabei unterstützen wir sie als Kinderhaus so gut wir können und versuchen, ihren Arbeitsalltag trotzdem so angenehm wie möglich zu gestalten, indem wir sie schützen, stützen und motivieren. Dazu gehören entspannte Ruhezeiten und Bonuszahlungen für ihren Einsatz genauso wie gesponserte Mittagspausen und eine immer gut gefüllte Süßigkeitenschale. (lacht)

Gibt es aus dieser schweren Zeit auch positive Dinge, die Sie für sich mitnehmen?

So furchtbar diese Krise ist, sie bringt tatsächlich auch einiges Positives mit sich. Wir erleben unfassbar viel Solidarität mit den Kindern und unseren Mitarbeitern – in Form von Spenden, aber auch selbstgenähten Masken oder Süßigkeiten und Briefe. Das motiviert uns ungemein weiterzumachen. Außerdem wird einem vieles bewusster, man betrachtet Dinge aus einem ganz anderen Blickwinkel und ist dankbar für die kleinen Dinge im Leben, die im Alltag oft untergehen.

Leider konnten wir aufgrund der Ereignisse auch unsere Geschenke der Weihnachts-Spendenaktion nicht persönlich vorbeibringen. Konnten wir dennoch ein paar Kinderaugen zum Strahlen bringen?

Nicht nur die der Kinder! (lacht) Ich habe mich schon riesig über die durch den Erlös der Spendenaktion gekauften Geschenke gefreut, als ich sie auf der ResMed Neujahrsfeier abgeholt habe. Im Kinderhaus wurden Spielzeug, Teddys und Co dann natürlich mit großer Begeisterung ausgepackt. Die Freude war bei allen Kindern riesig! Mit Beginn der Coronakrise kam dann zusätzlich noch die Nachfrage, bei welchen anderen Dingen wir hohen Bedarf haben. Daraufhin wurden uns notwendige Alltagsgegenstände von ResMed zur Verfügung gestellt, die aufgrund der aktuellen Situation häufig benutzt und gewechselt werden, wie z.B. Bettwäsche. Das kam zum absolut richtigen Zeitpunkt. Uns wurde eine Last von den Schultern genommen und damit wurden mit dieser Aktion nicht nur die Kinder wahnsinnig glücklich gemacht.